Paradies für Genießer

Die Kärntner Kuchl

Schon im Mittelalter ein Paradies für Genießer!
Sieben Jahre, bevor Christoph Kolumbus die Neue Welt entdeckte, reiste
Paolo Santonino, seines Zeichens Sekretär des Bischofs von Caorle in den Norden der Diözese, das heutige Kärnten. Er beschrieb nicht nur den Zustand der dortigen Pfarren, sondern vor allem auch jenen der Pfarr- und Schlossküchen: Auf Burg Kühnegg im Gailtal sah sein Speisezettel beispielsweise so aus: „Erstens Brathühner, Rebhühner und Lammstücke, zweitens gesottene Hühner in Suppe, drittens Fische aus dem Presseggersee ohne Suppe, viertens ausgezeichnetes Kraut mit Speck, fünftens Gepfeffertes, heiß und suppig mit Hühnerhälsen, -lebern und –füßen, sechstens Pfannkuchen mit sauren Äpfeln, siebentens Fleisch vom jungen Schöps in der Suppe, achtens Gerste in fetter Fleischsuppe, neuntens Äpfel, Birnen, Käse und grüne Nüsse, dazu schneeweißes Brot und Wein so klar, dass er nur durch den Geschmack von Wasser zu unterscheiden war.“
Berichte wie dieser finden sich in Santoninos Reisebeschreibungen aus den Jahren 1485 bis 1487 ungezählte, und zwar gleichgültig, ob der Herr Sekretär gerade an deutsch- oder slowenischsprachigen Tafeln zu Gast war. Die Liebe der Kärntner Bevölkerung zu Schmaus und Trank, zu Opulenz und Fülle, vor allem aber auch zu einer großzügigen Gastfreundschaft ist also schon sehr früh dokumentiert.

Wo die Alpen schon nach Adria schmecken
Kärnten ist, wie sich jeder auf äußerst wohlschmeckende Weise überzeugen kann, bis heute eine der kulinarisch ergiebigsten Regionen Österreichs geblieben. Der Grenzlage am Schnittpunkt dreier Sprach- und Kulturzonen, verdankt die Kärntner Küche ihre unverkennbaren italienischen und slawischen Einflüsse in Kombination mit der typisch österreichischen Alpenküche. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Kärntner Nudel, die auffallende Ähnlichkeiten mit dem italienischen Raviolo aufweist. Freilich ist sie viel deftiger, voluminöser und von durchaus eigenständigem Geschmack.

Frische Zutaten aus intakter Natur
Den Ursprung der meisten Kärntner Kochrezepte finden wir in der Bauernküche. Die bäuerliche Bevölkerung, die seinerzeit keineswegs besonders wohlhabend war, hat gegessen was das Land eben hervorgebracht hat – und genau das ist es auch, was die Kärntner Küche auszeichnet: nämlich die Verwendung von frischen Zutaten, die man in dieser gebotenen Qualität nur in alpenländischen Regionen findet. Man denke dabei etwa an die gesunde und nährstoffreiche Milch, an das Fleisch von Tieren, die einen ganzen Sommer lang auf saftigen grünen Weiden grasen, und man vergesse dabei auch das Kärntner Hausgartl nicht, in dem hinter jedem Bauernhof biologisch gezüchtetes Gemüse sowie zahlreiche Würz- und Heilkräuter gedeihen.

Kräftigend und gesund sind die meisten Rezepturen aus dieser alten Bauernküche auch heute noch. Dass sie für den Genießer von heute, der seinen Tag eher am Schreibtisch als hinter der Pflugschar verbringt, auch verträglich gemacht werden, ist indessen Aufgabe guter Köchinnen und Köche.

Kärntner Nouvelle Cuisine
Der feinere Teil der Kärntner Küche kommt aus Bürgerhäusern, Klöstern und Herrschaftsküchen. Wild und Fisch sowie besondere Fleischarten waren lange Zeit den Wohlhabenden vorbehalten, auch wenn gerade Rezepturen für Fisch und Wild im Laufe des 19. Jahrhunderts auch die Tafeln des Mittelstands eroberten. Kurioserweise haben einige sehr alte Rezepte Ähnlichkeiten mit der so genannten "Nouvelle Cuisine". Man denke etwa an den "Waller in Rahmsauerkraut" – eine Kreation, die auch manchem heutigen Sternekoch alle Ehre machen würde.

Die eigentliche Stärke der Kärntner Küche liegt allerdings weniger in der Fülle der überlieferten Rezepte, sondern in der hohen Qualität und Vielfalt der bodenständigen Produkte. Der Bogen des Angebots reicht von Kärntner Tauernlämmern, Brillenschafen, Almochsen und Tuttel- bzw. Milchkälbern über Lavanttaler Spargel, Gailtaler Speck, Bergkäse, Jauntaler "Had’n" (Buchweizen), Kürbissen (Kernöl gibt es nicht nur in der Grünen Mark, sondern auch in Kärnten!) und Honig von der Carnica-Biene bis hin zum Gailtaler Räucherlachs, der Oberkärntner Seeforelle, dem Drau-Huchen oder dem Tainacher Saiblingskaviar. Und das kleine Manko, von einigen winzigen Weingärten abgesehen, kein Weinland zu sein, macht Kärnten mit exzellentem Most, vor allem aus den Gegenden um St. Paul und Villach, sowie mit hervorragenden Obstsäften, Bieren und Edelbränden mehr als nur wieder wett.

Autor: Christoph Wagner & Hans und Willi Tschemernjak

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1 Kommentare „Die Kärntner Kuchl“

  1. solo
    solo — 23.1.2016 um 15:28 Uhr

    Ein interessanter, informativer Artikel. Danke.

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